Freitag, 19. Juni 2015

Es begann wie ein Traum – oder besonders böser Aprilscherz: Auf der gleichen Bühne, in der gleichen Stunde, die bereits die offizielle Ankündigung von The Last Guardian und das seit einem Jahrzehnt geforderte Remake von Final Fantasy 7 gesehen hat, betritt Yu Suzuki die Bühne. Yu Suzuki, das ist der geistige Papi von Shenmue, der wahrscheinlich bekanntesten Open World-Serie nach Grand Theft Auto (Und das obwohl Shenmue nur für den Dreamcast heraus kam!). Und eben jener Serienschöpfer kündigt auf der Sony-Konferenz Montagnacht ein Crowdfunding-Projekt für Shenmue 3 an, offen ab sofort. Sonysprecher und Suzuki beteuern, dass Sony der großen Überraschung nur eine Bühne liefern wollte, dass das Spiel unabhängig ist. Innerhalb neun Stunden durchbricht Shenmue 3 sein Fundingziel von zwei Millionen Dollar, der schnellste Erfolg der Kickstartergeschichte. Kurz darauf kommt heraus: Sony steht hinter dem Projekt, steuert Geld bei. Und zwar nicht nur ein bisschen fürs Marketing, sondern so gut wie alles. Vierzig Millionen stehen im Raum.

Es gibt mehrere Gründe, warum das ein Riesenproblem ist. Der erste ist recht schnell ersichtlich: Wenn Sony so tief in der Finanzierung drin steckt, ist ein Release auf der Xbox One quasi ausgeschlossen. So ein großes Ding wie Shenmue 3 wird Sony unter Garantie für sich behalten. Auch bei einem PC-Release kommen da Zweifel auf, allerdings wird von diesem in der Kickstarter-Kampagne immerhin ganz klar gesprochen. Dort zurückrudern kann und wird sich Suzukis Entwicklerfirma Ys Net nicht leisten. Wenigstens ist zumindest davon auszugehen, dass Suzuki nicht ohne Einfluss dasteht und einfach nur den Entwicklungsauftrag für Sony ausführt. In einem Interview mit Kotaku enthüllte Suzuki, dass die Rechte für den Markennamen Shenmue derzeit bei ihm lägen. Sega hätte es absolut logisch gefunden, ihm die Rechte zu geben, immerhin kannten sie ihn und seine Arbeit. Der Deal, den er mit Sega für die Rechte ausgehandelt hatte, ist bis dato unbekannt. Wir können aber mit etwas gesunden Menschenverstand von einer Gewinnbeteiligung ausgehen – aus Sonys Geld wird der Markenwechsel nicht bezahlt werden, sonst gehörte die Marke wahrscheinlich bereits dem Konzern. Stattdessen wird Ys Net unterstützt von Sonys Third Party Production-Abteilung unter der Leitung von Gio Corsi unterstützt – der gegenüber IGN betonte: „we are going to be partners the whole way“. Das ist immerhin eine nur sehr schwach versteckte Bestätigung, dass Sony nicht nur als Partner oder wohltätiger Geldgeber fungiert, sondern schlicht und einfach der Publisher sein wird.

Dann gibt es da jedoch noch den moralischen Aspekt, und erst hier wird es eigentlich so richtig schmutzig. Shenmue 3 ist bereits das zweite Spiel, das die zweifelhaften Schlagzeilen gemacht hat, Kickstarter nicht wirklich zur Finanzierung zu benutzen. Bei Nummer Eins handelt es sich um Bloodstained: Ritual of the Night, ein spiritueller Castlevania-Nachfolger vom Serienschöpfer Koji Igarashi. Während die Kampagne bereits in vollem Gange war gestand Igarashi, dass er Kickstarter hauptsächlich benutzen würde, um Investoren das Interesse der Kundschaft am Spiel zu beweisen. Dass die Kunden sogar Geld dafür bezahlten, ihr Interesse zu bekunden? Netter Bonus. Dagegen ist der Shenmue-Fall allerdings noch ein gutes Stück frecher. Natürlich erzählt Sony, ihr Grund wäre es ebenfalls gewesen, den Markt für Shenmue auszukundschaften. Dummerweise ist Shenmue in einer leicht anderen Situation als es ein 2D-Metroidvania sein könnte. Man könnte Shenmue 3 als eine Art Japano-Half-Life 3 bezeichnen, eines der meist gewünschten Spiele überhaupt, wie Corsi sogar in seinem Interview zugab. Der Markt besteht, das war Sony bewusst, da hätte es keinen Test benötigt. Und wenn? Dann wäre es Sonys Aufgabe als offensichtlicher Publisher gewesen, eine Marktanalyse durchzuführen – auf ihre Kosten. So jedoch auch hier wieder – die potenzielle Kundschaft bezahlt dafür, ihr Interesse bekunden zu dürfen. Menschen zahlen im Vornherein für die Entwicklung eines Spiels, das auch ohne sie zustande kommen hätte können – und mit ziemlicher Sicherheit zustande gekommen wäre. Sony nimmt hier nur einfach das zusätzliche Geld mit. Warum auch nicht? Die Leute scheinen es ja zu wollen. Klar, dass Kickstarterkampagnen auf diese Weise zu einem reinen Preorderangebot werden, stört den normalen User nicht, der will ja nur sein Spiel. Denkt der normale User aber auch daran, wie viel Risiko darin stecken kann? Gerade mit The Last Guardian, das nach über einem Jahrzehnt überhaupt erst einmal wieder offiziell gezeigt wurde, sollte jedem klar sein, dass Sony keine Skrupel hat, ein Spiel zu verzögern. Das kann der Qualität des Spiels gut tun, es kann aber auch dazu führen, dass es einfach irgendwann eingestellt wird. Selbst das wäre in Ordnung, wenn Suzuki und Sony einfach eine Vorbestellerkampagne gestartet hätten. Das wäre zwar sehr früh, aber wer nicht warten kann, der soll eben bestellen. Nein, das Problem hieran ist schlicht und einfach die Irreführung, die Sony und (bis anders bewiesen) auch Suzuki bewusst in ausgelöst haben, um den Hype zu entfachen und einzusparen. Das traurig-schöne daran? Der Hype wäre auch entstanden, hätte ein dickes Sony-Logo auf dem Trailer geprangt. Sony wäre wahrscheinlich sogar als Retter eines der beliebtesten alten Franchises gefeiert worden und hätte erneut Pluspunkte vor Konkurrent Microsoft gesammelt. So steht Suzuki nun mit dem eigentlich wunderschönen Gewand eines Shenmue 3 da, von dem nun erstmal die Flecken von Sonys PR-Erguss geschrubbt werden müssen, die den Glanz trüben.